Argumente

Aus erster Hand: der Demonstrations-Sonntag in der Hauptstadt

Wenn die Argumente ausgehen, kommt die Aggression: Ein Blumentopf verfehlte mich heute nur um Handbreite. Geworfen hatte ihn ein Anwohner im Prenzlauer Berg in Berlin, von seinem Balkon – aus Wut darüber, dass ich ihn und seine Partnerin nach verbalen Aggressionen zur Diskussion aufgefordert hatte. Mit Leuten wie mir könne man nicht diskutieren, war die Antwort. Zwanzig Zentimeter weiter, so berichtete mir ein Augenzeuge geschockt, und der Blumentopf wäre auf meinem Kopf gelandet. Dann würde ich kaum diese Zeilen hier schreiben heute Abend. Aggressionen gab es mehrfach. Anwohner beschimpften Teilnehmer der verbotenen Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen in Berlin heute als „Wichser“ und zeigten ganz offen ihre Wut darüber, dass diese sich nicht impfen ließen. Ein Polizist herrschte einen Demonstranten an, dieser sei mit seiner Widersetzung gegen die Impfung unsolidarisch. So, als würden wir nicht (mehr) in einem freien Staat leben. Sondern in einem, in dem die Bürger nicht mehr frei über ihren eigenen Körper verfügen dürfen.

Gleichzeitig machten sich der Polizist sowie Gegner der Demonstrationen darüber lustig, dass dort Demokratie-Einschränkungen beklagt würden – denn diese gebe es nicht, so ihr Tenor. Der Widerspruch fällt ihnen dabei offenbar gar nicht auf, denn teilweise machen sie in einem Atemzug deutlich, dass die Impf-Entscheidung nicht dem Einzelnen überlassen bleiben sollte, zugleich weisen sie jede Einschränkung demokratischer Prinzipien als falsch zurück. Offenbar tut hier die massive Propaganda aus Politik und Medien ihre Wirkung – wenn selbst so einfach zu entlarvende Widersprüche nicht mehr erkannt werden. Ebenso bizarr wie entlarvend auch eine Szene, als ein offenbar gut situierter Anwohner des Prenzlauer Bergs über die Demonstranten spottete, sie seien – sinngemäß – „Heinis aus der Provinz“ und „intellektuell völlig überfordert“ mit dem Thema Corona.