Wohin uns die Achse Rom-Paris führt

Der Quirinal-Vertrag verändert die Verteidigungsarchitektur der Europäischen Union grundlegend. Von nun an sind es nicht mehr die beiden Atommächte (der Franzosen und der Briten) oder gar die französische Armee und das deutsche Scheckbuch, sondern die beiden wichtigsten verbliebenen Armeen der Union (die französische und die italienische), die sich darum kümmern werden. Natürlich unter NATO-Kommando.

Der vom Präsidenten der Italienischen Republik Mattarella geförderte Quirinal-Vertrag [1], der am 26. November vom Ratspräsidenten Draghi und dem Präsidenten der Französischen Republik Macron unterzeichnet wurde, ist ein 360-Grad weiter politischer Vertrag, in dem sich Italien und Frankreich “verpflichten, ihre Koordinierung auszubauen und Synergien zwischen ihren jeweiligen Maßnahmen auf internationaler Ebene zu fördern”, indem sie “Industriepartnerschaften in bestimmten militärischen Sektoren” erleichtern und anderer Programme, die finanzielle Zwänge für den Staat mit sich bringen. Um vom Präsidenten der Republik ratifiziert zu werden, hätte der Vertrag zunächst vom Parlament auf der Grundlage von Artikel 80 der Verfassung genehmigt werden müssen, wonach “die Kammern per Gesetz die Ratifizierung internationaler Verträge politischer Natur oder finanzieller Belastungen genehmigen”. Im Gegenteil, der Text des Vertrags blieb bis auf einen kleinen Regierungskreis geheim, bis er nach der Unterzeichnung veröffentlicht wurde.

Was das am Ende einer geheimen Verhandlung offenbarte Ziel des Vertrags ist, erscheint durch seinen Zeitplan klar: Er wird zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, zu dem mit dem Austritt der deutschen Bundeskanzlerin Merkel ein neues Machtgleichgewicht der Europäischen Union entsteht. Frankreich, das 2022 die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, ersetzt die Achse Paris-Berlin durch die Achse Paris-Rom. Artikel 2 über “Sicherheit und Verteidigung”, bestehend aus 7 Absätzen, steht im Mittelpunkt des bilateralen Abkommens. Italien und Frankreich verpflichten sich, “die Fähigkeiten von Europas Verteidigung zu stärken und damit auch an der Konsolidierung des europäischen Pfeilers der NATO zu arbeiten”. Wie Draghi im Einklang mit Washington betonte, müssen wir “eine echte europäische Verteidigung aufbauen, die natürlich komplementär zur NATO ist, und nicht substitutiv: Ein stärkeres Europa macht die NATO stärker”.

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