… Außenminister Sergej Lawrow mit Rossiya 24, Moskau
Frage: Vor nicht allzu langer Zeit sagten Sie, dass Russland in seiner internationalen diplomatischen Praxis keine ideologiebasierten Regeln anwenden würde. An welchen Beispielen können Sie dies einem politischen Laien erklären?
Sergej Lawrow: Das ist ganz einfach. Idealerweise sollte sich jede Gesellschaft an allgemein anerkannte Regeln halten, die ihre Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit bewiesen haben. Was das internationale Leben angeht, so ist die Charta der Vereinten Nationen ein Buch mit kollektiv und universell abgestimmten Regeln. Als später neue Mitglieder der UNO beitraten, akzeptierten sie diese Regeln in ihrer Gesamtheit, ohne jegliche Ausnahmen, denn die UNO-Mitgliedschaft setzt voraus, dass die Charta ohne Vorbehalte ratifiziert wird. Diese Regeln sind universell und für alle verbindlich.
Im Zeitalter der Multipolarität – und das ist eine objektive Tatsache – sind neue Zentren des wirtschaftlichen Wachstums, der finanziellen Macht und des politischen Einflusses entstanden. In der UNO werden die vielen Stimmen lauter. Wenn es darum geht, neue Lösungen oder Regeln auf der Grundlage der UN-Charta zu entwickeln, ist ein Konsens oder eine Abstimmung erforderlich. In beiden Fällen ist diese Arbeit mit widersprüchlichen Meinungen und der Notwendigkeit verbunden, die eigene Position zu verteidigen und zu beweisen, dass sie richtig ist. Wahrheit entsteht durch Argumente, und genau darum geht es in dieser kollektiven Arbeit.
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